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Carl Reinecke: Trios für Klavier und Bläser | CD-Tipps | BR-KLASSIK | BR
Carl Reinecke – Trios für Klavier und Bläser
Carl Reinecke - den Namen hat der eine oder die andere vielleicht schon einmal gehört, ohne freilich Genaueres über ihn zu wissen. Dabei war Carl Reinecke einer der universalsten Musiker-Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Deutschland, als Pianist, Dirigent, Lehrer und Komponist.
Von Fridemann Leipold - Stand: 04.05.2010
Nach dem Live-Erlebnis der berühmtesten Tastenkünstler der Epoche, Clara Schumann und Franz Liszt, machte Reinecke zunächst als viel und weitgereister Pianist Karriere. 1860 wurde Reinecke zum Leipziger Gewandhaus-Kapellmeister ernannt - und blieb 35 Jahre in dieser glanzvollen Position, ehe ihn kein Geringerer als Arthur Nikisch ablöste! Gleichzeitig wurde Reinecke als Professor, später sogar als Direktor ans benachbarte Konservatorium berufen - zu seinem prominenten Schülerkreis zählen Max Bruch, die Nordlichter Edward Grieg, Christian Sinding, Johann Severin Svendsen, ja sogar die Briten Frederick Delius und Arthur Sullivan, der Spanier Isaac Albéniz oder der Tscheche Leos Janácek; außerdem spätere Pult-Größen wie Carl Muck oder Felix von Weingartner. Darüber hinaus machte sich Reinecke als Musiktheoretiker und Herausgeber von klassischen Klavierwerken einen Namen.
Klassizistisch
Als Komponist stand Reinecke durch seine Kontakte mit Niels Wilhelm Gade, Ferdinand Hiller, Mendelssohn, Schumann und dem jungen Brahms den Klassizisten nahe. In seinen Lebenserinnerungen bekannte er: "Ich will nicht dagegen opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt - wider meine Überzeugung und wider mein Gefühl kann ich nichts spielen oder dirigieren." Dennoch bildet Reineckes Musik durchaus eine stilistische Brücke zu den "Überzeugungstätern" der Neudeutschen Schule, Liszt, Wagner und Berlioz, dessen Bekanntschaft Reinecke in Paris gemacht hatte.
Reizvolle, farbig besetzte Genrestücke
Die über 300 Werke Reineckes verteilen sich auf alle Genres; noch am bekanntesten und relativ gut auf Tonträger dokumentiert sind einige seiner Kammermusik-Stücke, vor allem die Flöten-Sonate mit dem programmatischen romantischen Titel "Undine" und die hier zum 100. Todestag Reineckes neu eingespielten drei Trios für Klavier und diverse Blasinstrumente bzw. Viola. Es sind reizvolle, farbig besetzte Genrestücke aus Reineckes letzter Schaffensphase, "gut gemachte", gehaltvolle, idomatisch perfekt auf die Blasinstrumente zugeschnittene Partituren. Infolge ihres Modulationsreichtums überwiegt auch bei den beiden Trios mit Dur-Grundtonarten nahezu eine Moll-Anmutung.
Großartige Solisten
Fünf großartige Solisten aus dem französischen Sprachraum haben sich für dieses nicht alltägliche Projekt zusammengefunden, die teilweise bereits langjährige gemeinsame Kammermusik-Erfahrung verbindet: Françoix Leleux, ARD-Preisträger und zwölf Jahre lang Solo-Oboist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; dort begann auch einst der Schweizer Hornist Bruno Schneider seine Karriere. Es gibt kaum einen vielseitigeren Klarinettisten als Paul Meyer, der Pianist Eric Le Sage macht derzeit mit seiner grandiosen Schumann-Gesamtaufnahme von sich reden, und der Bratschist Antoine Tamestit, ebenfalls ARD-Preisträger, ist mit seinen 31 Jahren bereits einer der besten seiner Generation und hier der jüngste im Bunde.
Wertvolle Raritäten
Mit überragender Spieltechnik, griffiger Artikulation und erlesenem Klangraffinement agieren die fünf in wechselnden Konstellationen - und erweisen dem vernachlässigten Reinecke damit die schönste Reverenz. Denn wenn man schon solche Raritäten präsentiert, dann sind sie sinn- und wertvoll überhaupt nur in derart erstklassigen Interpretationen.
CD-InfoCarl Reinecke: Trios für Klavier und Bläser
Trio für Oboe, Horn Und Klavier a-Moll op. 188
Trio für Klarinette, Viola und Klavier A-Dur op. 264
Trio für Klarinette, Horn und Klavier B-Dur op. 274
Françoix Leleux (Oboe), Paul Meyer (Klarinette), Bruno Schneider (Horn), Antoine Tamestit (Viola), Eric Le Sage (Klavier)
Label: RCA / Sony Classical
P &C 2003 NIKA RECORDS NR-CD-K-0150
NIKA RECORDS op. 167, 202, 283, 288
Matej Zupan - Flute, Andreja Kosmac - Piano, Slovenian National Radio Symphony Orchestra - RTV Slovenia, David de Villers - Conductor
2003 erschien diese slowenische CD-Produktion und zeigt einmal mehr, in welchen Ländern man sich dem Werk von Carl Reinecke bemerkenswerterweise widmet. Die reichlich 77 Minuten der bei NIKA Records (Lubljana) publizierten Einspielung präsentieren Reinecke als Komponisten für die Querflöte. Dazu zählen bis heute bekannten Werke: Die Sonate “Undine” op. 167, das Konzert für Flöte und Orchester op. 283 und die Ballade für Flöte und Orchester op. 288, die hier neben dem op. 202 “Von der Wiege bis zum Grabe” (Fassung für Flöte und Klavier) zu hören sind.
Solist Matej Zupan (Jg. 1970) ist 1. Flötist des Slovenia National Radio Symphony Orchestra und lehrt an der Academy of Music der Universität Ljubljana. Verschiedene Preise und Ensemblemitgliedschaften, solistische Auftritte in Europa und den USA sowie Aufnahmen u.a. für RAI, ORF zeichnen seine Vita aus.
Schon das Booklet verdient Lob, da es wohltuend ohne Aufwärmen gängiger Reinecke-Urteile auskommt, wie beispielsweise die Darstellung seiner Tätigkeit als langjähriger Gewandhauskapellmeister. Auch dass Reinecke nicht nur als Mendelssohn-Schumann-Epigone sondern durchaus auch mit Affinitäten zu Brahms dargestellt wird, gibt dem Hörer wichtige Basisinformationen.
Die Sonate “Undine” für Flöte und Klavier (auch als Fassung für Klarinette existent) gehört zu den noch heute meist gespieltesten Werken Reineckes. Kein Wunder, schleicht sich doch die eingängige Wellenmotivik des 1. Satzes meeresjungfrauenhaft ins Ohr – so auch bei Matej Zupan und Andreja Kosmac (Jg. 1975) am Klavier. Zupan spielt aus einem Guss, dynamisch fein gestuft. Überhaupt ist sehr hörenswert die nuancierte Ausgewogenheit zwischen beiden Instrumenten. Ob nun jagende Virtuosität (2. Satz), ruhige Besinnung (3. Satz) oder die Hochdramatik des 4. Satzes mit versöhnlichem Ende – das rund 20minütige Werk bleibt spannend bis zum letzten Ton.
“Von der Wiege bis zum Grabe” zeichnet den vergänglichen Weg des menschlichen Lebens und wurde zu Reineckes Lebzeiten häufiger aufgeführt. Kurzweilig empfinden Zupan und Kosmac die unterschiedlichen Stimmungsbilder nach, trumpfen natürlich bei “Hochzeitszug” und “Geburtstagsmrasch” gründlich auf, bevor es eher kontemplativ zu Themen des Alter(n)s (“Im Silberkranz”, “Abendsonne”) geht. Gerade die beiden letzten Stücke mögen nicht die größten kompositorischen Einfälle Reineckes sein, stellen diese Lebensjahre aber durchaus auch als eine freudvolle Epoche dar. Eine gute Kombination mit diesen kammermusikalischen Opera ist die Aufnahme des (schon mehrfach eingespielten und jüngst edierten) Flötenkonzertes op. 283 und der Ballade op. 288. Im Flötenkonzert findet Zupan zu großem Ausrduck, lässt dem schön musizierten 1. Satz einen fast tragisch anmutenden Mittelsatz folgen, bevor das Finale leichtfüßig, dennoch mit dramatischen Elementen durchsetzt, die Frage aufkommen lässt: Wo wird dieses Werk heute überhaupt noch aufgeführt? Zupan weiß hier das Slowenische Radio-Sinfoieorchester (also seine Musikerkollegen) sicher an der Seite.
Das ist in der Ballade op. 288 ebenso. Mit großem Schmerz und Pathos, auch schelmenhaft (und dort mit besonderer Leichtigkeit im Soloinstrument) setzt dieses Werk einen schönen Schlusspunkt unter diese sehr hörenswerte Aufnahme.
Vielleicht lässt es sich ja in Slowenien bewerkstelligen, dass Carl Reineckes Opera ab und zu auch mal in großen Konzertsälen und nicht nur in kammermusikalischen Programmen erklingen.
Katrin Seidel
cybele 550.301 P + C 2001 by cybele
cybele
Sämtliche Kinderlieder Teil 1 und Teil 2
Caroline Merz - Sopran, Marta Marquez - Mezzosopran, Thomas Leander - Klavier
cpo 999 618-2
Auf Konzertprogrammen ist sein Name viel zu selten zu finden - auf CD-Einspielungen schon eher und erfreulicherweise immer wieder neu: Carl Reinecke (1824 - 1910).
Selbst die Musikstadt Leipzig, in der Reinecke immerhin 35 Jahre als Kapellmeister des Gewandhausorchesters (1860 - 1895) wirkte, tut sich mit einer Würdigung nicht nur des Komponisten Reinecke schwer. Dem Strom des Vergessenseins und -werdens entgegen wirken noch am ehesten CD-Produktionen, die sich mit musikalischen Kleinodien des bis heute am längsten amtierenden Gewandhausdirigenten befassen. Jüngstes Zeugnis: die 2002 bei cpo (999 618 - 2) erschienene Aufnahme der zwei Klavierquartette und des Klavierquintetts von Carl Reinecke mit hervorragenden Interpreten.
Bei dem 1978 gegründeten Linos-Ensemble, dessen Repertoire von Quartetten bis zu Kammersinfonien reicht, liegen diese opera Reineckes in den besten Händen. Doch die Konzeption dieser CD beweist noch mehr: Sie führt geradezu durch Reineckes langes Leben und begleitet den Hörer durch die Stationen 1853, 1866 und 1905.
Als das Klavierquartett Nr. 1 Es-Dur op. 34 entstand (1853), befand sich Reinecke in Köln - einer von mehreren Stationen, die vor dem Antritt des Leipziger Amtes 1860 lagen. Die in jeglicher Literatur mehr oder weniger gepriesene kompositorische Nähe zu Robert Schumann, den Reinecke in den 1840er Jahren bei einem dreijährigen Leipzig-Aufenthalt selbst kennenlernte, ist hier wie auch anderswo kaum zu überhören.
Im Kopfsatz (Allegro) lebt das Linos-Ensemble die markanten thematischen Gegensätze bewußt aus und setzt technisch brillant und dynamisch feinsinnig gestaltet deutliche Orientierungspunkte. Im zeitlich ähnlich ausgedehnten langsamen Satz (Andante) findet das Ensemble sowohl zu schwermütiger Tiefe (Taruermarsch-Anklänge zu Beginn) als auch zum nötigen schwelgerischen Ernst. Das humorige Intermezzo schließlich setzt einen farbigen Kontrastpunkt, ohne es wie Booklet-Autor Mathias Wiegandt als „schlitzohrig“ bezeichnen zu wollen. Dieser Charakterzug lag Reinecke doch recht fern, selbst wenn er im Finalsatz (Allegro molto vivace) noch einmal alle Bogen- und Fingerkünste herauszukitzeln versteht.
Das sechs Jahre nach dem Leipziger Amtsantritt komponierte Klavierquintett a-moll op. 83 wird völlig zurecht als deutlich ausgereiftes Werk hervorgehoben, das sich sogar an die Grenzen der Tonalität wagt. Es ist auf der CD als letztes Werk eingespielt.
Gerade im Kopfsatz arbeiten Konstanze Eickhorst (Klavier), Winfried Rademacher und Gidsel Garn Nielsen (Violine), Mathias Buchholz (Viola) und Mario Blaumer (Violoncello) die überwiegenden dramatischen Akzente exzellent heraus. Sie zeigen den sonst eher sanftmütigen Musiker von einer ganz anderen Seite, so wie beispielsweise der zweite Satz ungewöhnlich tiefen lyrischen Erfindungsreichtum offenbart. Besonders diesem Opus wären heutige Aufführungen wünschenswert, selbst wenn Reinecke vor manchen kompositorischen Längen nicht immer gefeit ist.
Das an zweiter Stelle eingespielte Klavierquartett Nr. 2 D-Dur op. 272 entstand wenige Jahre vor Reineckes Tod in Leipzig 1910. (Im Booklet wird als Entstehungsjahr 1905 angegeben, obwohl es bereits 1904 gedruckt wurde.) Es zeigt den Meister noch einmal in einem ganz anderen Licht, wobei er jedoch mit dem Zusatz auf dem Titelblatt „im leichteren Stil“ die diesbezüglichen Erwartungen nicht immer erfüllt haben dürfte. Das Linos-Ensemble jedenfalls beweist, daß Reinecke auch hier genügend konzentrierte Ensemble-Arbeit forderte, selbst wenn der leichtfüßigere Tonfall (besonders im finalen Rondo) zuweilen darüber hinwegtäuschen mag.
Das ansonsten sauber gearbeitete Booklet läßt nicht ganz unwesentliche Quellenangaben vermissen, zumal zwei Zitate aus Carl Reineckes bislang unveröffentlichten Lebenserinnerungen stammen. Gearde in diesen prophezeite Reinecke: „Daneben gebe ich mich aber nicht länger der trügerischen Hoffnung hin, daß meinen Werken eine längere Dauer beschieden sein wird, vielleicht mit Ausnahme derjenigen, die ich für die Jugend geschrieben habe [...].“
Zumindest nach Lage auf dem heutigen CD-Markt hat sich seine Befürchtung nicht erfüllt.
Katrin Seidel